Parther: Architektur und Plastik

Parther: Architektur und Plastik
Parther: Architektur und Plastik
 
Wenn man einen Überblick über die Architektur und Plastik in der parthischen Periode Vorderasiens zu geben versucht, bietet es sich an, die Darstellung entsprechend der Geschichte der Ausbreitung der parthischen Vormachtstellung zu verfolgen. Dabei ergibt sich eine Gliederung in drei hauptsächliche Phasen: die Parther, die zu den Ostiraniern zählen, in ihrem ursprünglichen Kernland Parthien (keilschriftlich Parthawa, griechisch Parthyaia oder Parthyene), die Parther im Hochland von Iran einschließlich der Elymais sowie als dritte Phase die Parther in Mesopotamien.
 
Die Anfänge der Kunst und Architektur unter den Parthern führen uns in das Stammland, die Parthyene. Dieser antike Landschaftsbegriff umfasst die heute iranische Provinz Khorasan und die Republik Turkmenistan. In die materielle Kultur der frühen Arsakidenherrschaft haben die sowjetischen Grabungen in Nisa bei Aschchabad im südlichen Turkmenistan seit dem Ende der vierziger Jahre beachtliche Einblicke vermittelt. Wesentlich ist, dass die dort ausgegrabenen Marmorstatuen und Elfenbeinarbeiten sämtlich von griechischer Hand stammen und nur in der Architektur auch iranische Elemente erscheinen.
 
Nachdem sich die Parther um die Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. von den Seleukiden unabhängig gemacht hatten, drangen sie von der seleukidischen Nordostgrenze aus unaufhaltsam in das Hochland von Iran vor. Gegen Anfang des 1. Jahrhunderts v. Chr. hatten sie den Euphrat erreicht. Die schnelle Ausbreitung ist auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der Reiterei zu sehen, die die Parther mit überlegener Taktik einzusetzen wussten. Wichtige Stationen auf dem Weg nach Mesopotamien waren die Städte Hekatompylos, Rhagai-Arsakeia (heute Raj) und Ekbatana (heute Hamadan), das in augusteischer Zeit von Strabo als parthische Sommerresidenz genannt wird. Auf iranischem Boden sind zwei Orte zu nennen, die mit der Architektur und Plastik der Partherzeit besonders verbunden sind, Kaleh Sohak in Aserbaidschan und Schami im Bachtiyari-Gebiet, der antiken Landschaft Elymais. In Kaleh Sohak zwischen Maragheh und Mianeh ist hoch über einem Fluss ein pavillonartiges Ziegelgebäude erhalten, das in Konstruktionsweise und Dekor dem Partherpalast von Assur am nächsten steht. Die großen von Roman Ghirshman in Masdjid-e Soleiman und Bard-e Nischande in der antiken Elymais ausgegrabenen Heiligtümer scheinen mit ihren in Trockenmauertechnik errichteten Terrassenanlagen noch in der achaimenidischen Tradition zu stehen.
 
Bei der Plastik sind in der frühen parthischen Periode in Iran ähnliche Verhältnisse anzutreffen wie schon in Nisa. Besonders in Susa sind einige Marmorfragmente gefunden worden, die offenbar noch von griechischer Hand stammen. Für die Entwicklung der Plastik im partherzeitlichen Iran hat jedoch vor allem das von Sir Aurel Stein bei Schami untersuchte Heiligtum herausragende Funde erbracht. Unter den zahlreichen hellenistischen Marmor- und Bronzefragmenten ist eine etwas überlebensgroße, nahezu vollständig erhaltene Bronzestatue besonders erwähnenswert, da sie die bisher einzige großplastische Darstellung eines arsakidischen Prinzen ist.
 
Die älteren parthischen Reliefs, vor allem das nur fragmentarisch erhaltene Denkmal von Bisutun, das sich wohl auf Mithridates II., der 124-88 v. Chr. regierte, bezieht, zeigen die Gesichter noch in Profilansicht. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. scheint sich, ausgehend von Mesopotamien, die frontale Darstellungsweise allgemein durchzusetzen. Über den Ursprung der Frontalität sind viele gegensätzliche Meinungen vertreten worden. Auf den drei Beterstatuen, den Partherstelen von Assur, von denen eine auf das Jahr 12/13 n. Chr. datiert wird, ist der frontal dargetellte Adorant nicht nur als einziger bewaffnet, sondern auch in der arsakidischen Tracht wiedergegeben. Das spricht dafür, dass ursprünglich mit der Frontalität ein gewisser offizieller Charakter des Bildnisses zum Ausdruck gebracht werden sollte, der wahrscheinlich auch den späteren Denkmälern zugrunde liegt. Unbestreitbar ist nur, dass die einzelnen Posen auf den Reliefs aus der griechischen Kunst abgeleitet werden können und dass darüber hinaus die durchgehende Vorderansichtigkeit als charakteristisch für die parthische Kunst gelten kann. Die späteren Sassaniden haben offenbar die strikte Frontalität der Figuren als so typisch für die ihnen verhasste Partherherrschaft angesehen, dass sie auf ihren Denkmälern die ältere Profildarstellung der Gesichter, wie sie in achaimenidischer Zeit üblich war, bevorzugten. Wir sind damit bei der dritten Phase der parthischen Expansion angelangt, in der auch Mesopotamien Bestandteil des Arsakidenreiches wird.
 
Schon im 1. Jahrhundert n. Chr. ist Ktesiphon gegenüber der volkreichen Griechenstadt Seleukeia am Tigris Winterresidenz der Arsakiden. Zur Zeit des Partherfeldzuges des Trajan war Ktesiphon bereits Hauptstadt des Reiches. Nach der Eroberung Mesopotamiens und der damit vorgegebenen gewaltigen Ost-West-Ausdehnung des Arsakidenreiches ist der unter dem Begriff der Seidenstraße bekannte Fernhandel mit Indien und China im besonderen Maße aufgeblüht. Dieser Warenaustausch hat vor allem auch den Karawanenstädten, aber auch den Kleinkönigtümern Mesopotamiens und Nordsyriens zu Reichtum und Wohlstand verholfen.
 
Charakteristisch ist die große Eigenständigkeit dieser Städte und Kleinkönigtümer, die sich besonders in Architektur und Kunst in durchaus differenzierten Lokalstilen manifestiert. An Städten sind in diesem Zusammenhang Dura-Europos, Seleukeia am Tigris oder das partherzeitliche Uruk-Orchoe, an Königtümern Osrhoene, Adiabene, Hatra und Charakene zu nennen. Allerdings spielen bei den Stilunterschieden auch die natürlichen Gegebenheiten eine Rolle. So hat sich aus Mangel an gut zu bearbeitendem Stein in Dura-Europos besonders die Malerei auf Stuck entwickelt. Ganz andere Verhältnisse treffen wir in Hatra an, wo sich Hausteinarchitektur und Steinplastik in gleicher Weise entfalten konnten. Dort hat sich auch ein besonders gutes Beispiel der Iwanbauweise in Gestalt des Großen Tempels erhalten.
 
Über die Entstehung der Iwanbauweise sind viele Theorien geäußert worden, prinzipiell sollte man jedoch nicht versuchen, diesen erstmalig in parthischer Zeit aufkommenden Baugedanken aus einer einzigen Quelle abzuleiten. Für die charakteristische Tonnenwölbung ist besonders auf die Lehmziegelbauweise hinzuweisen, die gänzlich ohne zusätzliches Bauholz auskommt. Was jedoch die aufwendige Fassadengliederung angeht, so hat man für den Großen Tempel von Hatra auf den Typus des römischen dreibogigen Triumphbogens verwiesen, zumal in Hatra ein dreibogiges Tor von dem großen Vorhof zu dem eigentlichen Tempel führt.
 
Wie stark die zentralen Kräfte, die von den Parthern selbst ausgegangen sein müssen, gewesen waren, zeigen besonders die städtischen Gemeinwesen, die nur vorübergehend oder überhaupt nie zum Partherreich gehört haben wie vor allem Palmyra. Dies widerspricht der häufig geäußerten Auffassung, es habe eine eigentliche parthische Kunst nicht gegeben, sondern nur eine Vielfalt von regionalen Kunstzentren nebeneinander. Wie besonders die Befunde von Kaleh Sohak und Schami zeigen, scheint es eine übergeordnete formative Komponente gegeben zu haben, die eine Art Leitmotiv für die zahlreichen lokalen Sonderformen gewesen ist.
 
Dr. Hubertus von Gall
 
 
Schlumberger, Daniel: Der hellenisierte Orient. Die griechische und nachgriechische Kunst außerhalb des Mittelmeerraumes. Taschenbuchausgabe Baden-Baden 1980.

Universal-Lexikon. 2012.

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